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Portugal in 100 Objekten
Zé Povinho.  Portugal in 100 Objekten

Toma! - Zé Povinho teilt aus. Die Aussage und die Pose entsprechen in etwa dem berühmten „deutschen Gruße” des Ritters Götz von Berlichingen.
Der Zé Povinho – hier als bemalte Tonfigur – wurde von den Portugiesen als Makottchen adoptiert und erfreut sich nach wie vor einer weitverbreiteten Popularität.

Toma! — Zé Povinho teilt aus

Ja – wie ist es denn, das gute portugiesische Volk? Welche Tugenden zeichnen es aus, welche negative Seiten zeigt es? Intelligent? Nicht unbedingt – aber schlau, bauernschlau, so zu sagen. Wach und aufmüpfig, freiheitsliebend und stolz? Nein, nicht wirklich. Eher passiv und geduldsam, stets bereit, sich mit seinem Los als Opfer der Obrigkeit zu arrangieren. Ausgebeutet und ausgenutzt, leider nicht tapfer genug, um die Mächtigen abzuschütteln, die es ständig ausbeuten. Dann kann man das portugiesische Volk wohl gut als einen Trottel aus der Provinz karikieren?

RBP

So ähnlich mag sich ein cleverer Zeitungsmensch aus Lissabon angestellt haben, als er dem (verhaßten) John Bull einen portugiesischen Gegenpart schaffen wollte. Im Jahre 1875 kreierte der portugiesische Dandy Rafael Bordalo Pinheiro (1846 - 1905) seine Figur Zé Povinho, eine Art portugiesischer Michel, die bald zum grafischen Symbol des portugiesischen Volkes werden sollte.

Die Hauptpose seiner Figur ist eindeutig: was der Zé mit seiner Manguito-Geste anbietet, entspricht im Deutschen dem berühmten Gruß des Götz von Berlichingen. Er schickt diejenigen, die ihn plagen, zum Teufel. Das Attribut, was zu ihm paßt, ist die Albarda – jener breiter Sattel, mit dem Esel und Mulis schwere Lasten tragen müßen.

In der Tat mußte der stets grinsende Zé Povinho schon seit geraumer Zeit viele schwere Lasten tragen: korrupte Politiker, eine pleite gegangene Monarchie, Armut und Analphabetismus, prügelnde Wachpolizisten, schmarotzende Pfaffen, drohende ausländische Machten, Staatsbankrott.

Witzig, schlagfertig, spitzzüngig, kultiviert, geistreich: Rafael Bordalo Pinheiro war eine schillernde Persönlichkeit im Lissaboner Kulturmillieu der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Und einer der kreativsten Köpfe der Jahrhundertwende.

Wie kein anderer beherrschte er die Kunst der Litographie, dem Verfahren, mit dem er seine Karikaturen, Parodien und satirische Zeichnungen vervielfältigte. Deswegen wird er von vielen Portugiesen bewundert und geschätzt. Sein Markenzeichen: Sarkasmus und beißende Ironie.

Das geniale Multitalent produzierte sich als Theatermacher, Zeichner, Illustrator, Karikaturist, Zeitungsmacher und zuletzt noch als Keramik-Designer – in der Fabrik, die er in Caldas da Rainha einrichtete. Er begann seine Karriere als Künstler/Zeichner mit der Veröffentlichung von Zeichnungen in Humor-Zeitschriften wie A Berlinda und O Calcanhar de Aquiles, wobei er gleich seinen sarkastischen Humor und sein Pessimismus über die Politik zeigte.

Im Jahre 1875 fuhr er nach Brasilien, wo er gleich die Zeitschrift Mosquito, und etwas später O Besouro gründete.

RBP

Nach ein paar Jahren kehrt er nach Portugal zurück. Im Jahre 1885 legte er eine Pause vom Trubel in Lissabon ein, um eine Keramikfabrik in Caldas da Rainha zu gründen, die – nach vielen Aufs und Abs – heute wieder produziert.

Hier ließ er seiner Phantasie freien Lauf und setzte auch viele seiner gezeichneten Bildfiguren in dreidimensionale Objekte um. Dabei ist es empfehlenswert, seine Karikaturen zu studieren, zum Beispiel, um weitere Facetten seiner Kreation Zé Povinho kennenzulernen.

So finden wir im Magazin António Maria den Zé mit dem Sattel eines Lastesels beschwert — er wird von den Mächtigen beritten und geschlagen. Ob dieser störrischer Esel jemals laufen wird?

Im braven Städtchen Caldas da Rainha hat seine Keramische Anstalt diverse neobarocke Keramikformen im Geschmack des Historiszismus und des Jugendstils produziert. In dieser Fábrica de Faianças das Caldas da Rainha wurden auch mehrfarbige Relief-Azulejos produziert, die Bordalo Pinheiro entworfen hat.

Ganz in der Nähe seiner ehemaligen Manufaktur befindet sich heute das Museu da Cerâmica (Caldas da Rainha), wo man eine schöne Auswahl seiner verrückten Keramik-Kreationen bewundern kann.

Nebenan kann man Replikas seiner Figuren kaufen; diese werden seit einigen Jahren wieder produziert.

Die Faianças Artísticas Bordalo Pinheiro wurden 1884 gegründet, um die traditionellen Ton- und Keramikkünste zu erneuern, indem sie mit der "Modernität" verschiedener Stilarten verbunden wurden. Vornehmlich waren sie jedoch durch die Originalität ihres Schöpfer, RBP, geprägt.

Bordalo widmete beim Aufbau seines Projekts allen Details: von der Auswahl des Grundstücks, dem grünen Rahmen, auf dem Quellen sprudelten und auf dem sich zwei Tongruben befanden, bis hin zum Bau einer Grundschule für die Kinder der Mitarbeiter, mitten im Fabrikgelände und von Grün umgeben.

Die Leidenschaft und Kreativität, mit der die Arbeit realisiert wurde, auch das soziale Bewusstsein, der Humor gaben dem Unternehmen eine bemerkenswerte Qualität, konnten es jedoch nicht vor dem Ruin retten. Das künstlerische und historische Erbe wurde 2009 durch den Erwerb der Faianças Bordalo Pinheiro seitens der Firma Visabeira Indústria gerettet.

Links

In Lissabon: www.museubordalopinheiro.pt/

Faianças Artísticas Bordallo Pinheiro www.bordallopinheiro.pt/

Literatur

Keramik in Portugal und Spanien, e-book von Kulturas. 2013.

Zé Povinho

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