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Portugal in 100 Objekten

Carl Emil Biel

Daß Carl Emil Biel in Portugal „nur” als einer der Pioniere der portugiesischen Fotografie gilt, ist bedauerlich: er war nicht nur der bedeutendste Fotograf seiner Zeit, sondern auch ein überaus aktiver Unternehmer, der sich als Pionier in allen damals neuen Technologien betätigte.

Der ausgewanderte Sachse war Knopfhersteller, Investor, Lebemann, Königstreuer, Verleger, Dokumentarist, Fotograf und... Schmetterlingssammler.

Sein Leben war aufs Engste mit den großen Umbrüchen der Jahrhundertwende verbunden: die Erschließung der Elektrizität und der Eisenbahnen, der Fall der Monarchie und die darauffolgende Totgeburt der República Portugueza, die Ablösung freundschaftlicher Beziehungen zwischen den europäischen Staaten durch den Alptraum, der sich I. Weltkrieg nannte...

biel

Carl Emil Biel (1838–1915), oder Emílio Biel, wie er sich später nannte, kam neunzehnjährig, im Jahre 1857, aus Annaberg in Sachsen nach Portugal – als Vertreter einer deutschen Firma für Metallknöpfe.

Als Vertreter der Firma Schalk etabliert er sich zuerst in Lissabon; Henrique Schalk war Repräsentant verschiedener deutscher Unternehmen. 1860 geht Biel als Vertreter der gleichen Firma nach Porto. Aber schon 1864 macht er sich mit einer eigenen Knopfherstellung selbständig: Fábrica de Botões à Rua da Alegria.

Als ehrgeiziger Geschäftsmann wird er Mitglied verschiedener Handelsgesellschaften der Stadt Porto, so z.B. der Associação Comercial do Porto und dem Centro Comercial do Porto.

Einige Quellen behaupten, daß Biel den reichen Fotoamateur, Bonvivant und Stierkämpfer Carlos Relvas kennengelernt hätte und bei ihm die neue Methode der Phototypie erlernt habe.

Tatsache ist, daß sowohl Relvas als auch Biel das Verfahren vom Carl H. Jacobi importiert haben. Der experimentierfreudige Relvas war sehr stark an diesem neuen Verfahren interessiert, hatte darüber einige Artikel in der Fachzeitschrift Arte Photographica veröffentlicht und lud schließlich Émile, den Sohn von C. H. Jacobi, zu sich nach Golegã in sein modernes Studio ein, welches heute als Museum zu besuchen ist. Was war so interessant an dieser Phototypie?

Für Carlos Relvas war die Fototypia als Mittel für die Verbesserung seiner „artistischen Qualität” relevant; für den Investor und Unternehmer Biel war die Fototypie vor allem wertvoll, weil dieses neuartige Verfahren die unmittelbare Vervielfältigung von Fotos im Druckverfahren ermöglichte.

Für Relvas, den ambitionierten (und sehr talentierten) Amateur, ging es um Medaillen bei den internationalen Ausstellungen; für Biel ging es um in hohen Auflagen gedruckte Bilder, die deswegen den Originalfotos täuschend ähnlich aussahen, weil alle Nuancen und Grauwerte genau wiedergegeben wurden.

Erstmals wissenschaftlich beschrieben wurde diese neue Technologie im Jahr 1867. Dann breitete sie sich wie ein Lauffeuer durch ganz Europa. Im Jahr 1875 traf der Phototypie-Experte Carl Heinrich Jacobi mit dem Portugiesen Carlos Relvas eine Vereinbarung über die Einrichtung einer Lichtdruckanstalt bei Relvas in Golegã. Der Sohn Jacobis, Émile Jacobi (geboren 1853) kam dazu für längere Zeit nach Portugal.

William Henry Fox Talbot, der berühmte Fotopionier, legte im Juli 1875 „eine Collection Lichtdrucke“ von Jacobi den Mitgliedern des Vereins zur Förderung der Photographie in Berlin vor, „die sich wohl den besten ihrer Art zur Seite stellen dürften.”

Talbot präzisierte: „das Drucken der Jacobi’schen Bilder scheint nicht gerade aussergewöhnlich schwierig zu sein”, denn Jacobi habe mitgeteilt, daß „die Heranbildung eines guten Druckers, selbst ohne Vorkenntnisse, nicht mehr Schwierigkeiten habe, als die eines Copirers für den gewöhnlichen Silberprozess. Das Jacobi’sche Druckpersonal sei sämmtlich aus gewöhnlichen Hülfsarbeitern, resp. Hülfsarbeiterinnen herangebildet.”

Weiter bemerkte Talbot: „daß das Jacobi’sche Verfahren auch in Portugal praktisch ausgeübt” werde, „indem Hr. Relvas ... dasselbe käuflich erworben und unter Leitung des Hrn. Jacobi jun. erlernt habe.” Er legt Proben von Relvas vor, die „nach dem Urtheil der Versammlung höchst anerkennenswerth sind.”

Wie praktisch: als Émile Jacobi nach Portugal kommt, lädt ihn Biel zu sich ein – und lernt schnell. Von der Knopfherstellung wendet sich der Wahl-Portuenser bald ab; 1873 wird Biel Leiter eines schon bestehenden Fotostudios in der Rua do Almada, Nr. 122, welches er 1874 aufkauft und unter dem schon bekannten Namen Casa Fritz weiterbetreibt. Später wird es Casa Biel genannt. Hier werden nicht nur Portraits am Fließband gemacht, sondern auch eine Vielzahl von Postkarten mit der neuen Vervielfältigungsmethode gedruckt und vertrieben.

Mit der von Biel virtuos beherrschten Phototypie beginnt auch in Portugal eine neue Ära der Massenreproduktion von Bildern.

Fotografisch hergestellte Bilder können in hohen Auflagen und deswegen auch zu günstigen Preisen vervielfältigt werden. Ganz Portugal reißt sich um die Bildpostkarten von Biel, jedermann mag die gefälligen Motive.

Hof-Fotograf in Lissabon

Aufgrund seiner sehr guten Beziehungen zu Fernando von Sachsen-Coburg, Vater des herrschenden portugiesischen Königs, avanciert Emil Biel zum königlichen Hof-Fotografen in Lissabon.

Um den Umgang mit Kunden und Geschäftsfreunden zu erleichtern, verportugiesiert er seinen Namen und nennt sich fortan Emílio Biel. Biel begnügt sich nicht mit dem konventionellen Fotogenre der Studioportraits und pittoresken Landschaftsaufnahmen.

Sein Sinn für das Neue, Moderne und Gewinnbringende zeigt ihm, welche Themen in Portugal den Weg in eine neue Zeit weisen.

Er fotografiert in Porto den Bau der neuen Eisenbahnbrücke Dona Maria Pia (erbaut 1875–77), die Brücke Luis I (erbaut 1881–1888), den Bau des Hafens Leixões von Matosinhos und den Bau der Eisenbahnlinie, die ins Dourogebiet führt.

Alles Projekte, die eine Modernisierung und Industrialisierung des Landes vorantrieben. Damit nicht genug. Biel will elektrifizieren. Die traditionellen Geschäftsmöglichkeiten mit dem Vinho do Porto sind schon lange fest in den Händen der Briten und ein paar Niederländern. Im Portweinhandel ist kein Spielraum mehr, in den neuen Industriebranchen vielleicht.

Als Vertreter der Firma Schuckert aus Nürnberg übernimmt Biel die Aufgabe, in 1894 die Stadt Vila Real zu elektrifizieren. Er wird ehrgeiziger; wird Verwalter der Wasserwerke des Gerês.

Sein Fotostudio Casa Biel war eines der wenigen Häuser in Porto, die elektrifiziert waren. Eine neue Firma entsteht: Biel, Moraes & Co, ein Planungsbüro für Elektrifizierung, die an vielen Projekten für die Eisenbahn und Straßenbahn von Porto – und von anderen Städten, wie z.B. Braga – beteiligt war.

1880 feiert man im patriotischen Rausch den 300. Todestag des Nationaldichters Camões; Biel gibt eine Prachtausgabe der Lusiaden heraus. Damit begründete er auch seinen Erfolg als Herausgeber seiner Phototypien. Im gleichen Jahr heiratete er das zwanzig Jahre jüngere Fräulein Edith Caroline Katzenstein, Tochter des Deutschen Konsuls zu Porto, wichtiger Kaufmann der Stadt.

Eine kurze Ehe, da die junge Frau schon 1882, mit nur vierundzwanzig Jahren, starb. Zurück bleibt eine Tochter: Else Biel, die später in die feine Deutsch-Portuensische Gesellschaft einheiraten wird und 1952 in Porto stirbt.

Biel wird nicht wieder heiraten – was ihn aber nicht hindert, wieder Vater zu werden. Er hatte aus einer nicht-ehelichen Verbindung drei Söhne – Julio Emilio Biel, geboren 1870; João Biel, geboren 1874 und Emílio de Almeida Biel, dessen Geburstdatum nicht bekannt ist.

Júlio Biel wird Ingenieur und ab 1897 Verantwortlicher für die Abwicklung der Elektrifizierungprojekte, unter anderem, dasjenige von Alcobaça. Sein jüngerer Bruder João schliesst sich ihm 1910 an in diesem Geschäftszweig des Vaters.

Biel war auch Importeur von Automobilen (z.B. der Firma Benz), von Stoffen, Seide und anderen Acessoires; diesen Bereich übernahm später sein dritter Sohn, Emílio de Almeida Biel.

Im letzten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts expandiert die junge Fotobranche gewaltig; Biel bekommt Konkurrenz. Im Jahr 1892 gründete Henrique António Guedes de Oliveira sein eigenes Atelier, Photographia Guedes, in der Rua de Santa Catarina, Nr. 262, bleibt aber verbunden mit einem anderen Studio, Guimarães & Guedes, Sucessores de Sala & Irmão, welches bis 1894 aktiv blieb.

Domingos Alvão (1872 – 1946), einer der herausragenden portugiesichen Fotografen der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, begann als Lehrling bei Emílio Biel. Nach kurzem Aufenthalt in Madrid leitet Alvão die Escola Practica de Photographia do Photo-Velo Club. In diesem Lokal gründet er 1903 die Firma Fotografia Alvão (ab 1926, Alvão & Cia. Lda).

Biel reagiert flexibel – zum Beispiel mit Partnerschaften. Zusammen mit dem portugiesischen Fotografen Cunha Moraes fotografiert Biel zwischen 1902 und 1908 Portugal von Nord bis Süd; das langatmige Projekt wird die größte systematische Bestandsaufnahme dieser Zeit. Und wahrscheinlich die beste. José Augusto da Cunha Moraes (1855 – 1933) war ein wichtiger Partner von Biel.

Wegen einer kriminellen Tat – dessen Vater Abílio Simões da Cunha Moraes hatte fleißig Geldscheine gefälscht – muß auch der Sohn José Augusto Portugal verlassen und zieht 1863 nach Luanda, Hauptstadt der portugiesischen Kolonie Angola. Dort betreibt der Vater ein Fotostudio, der Sohn wird Partner.

Der bedeutendste Teil von Moraes Produktion in Afrika findet statt zwischen 1877 und 1894, seine Lichtbilder werden in den Zeitschriften O Occidente und Arte Photographica veröffentlicht.

Im Jahre 1882 stellt Cunha Moraes ein Album mit Fotos von Westafrika zusammen. Zwischen 1885 und 1888 publiziert Moraes die heute berühmten vier Bände von Africa Occidental – Album Pho­to­gráphico e Descriptivo beim Lissabonner Verleger David Corazzi. Die dafür verwendeten Fototypien werden in der Casa Biel hergestellt. 1900 kehrt Cunha Moraes endgültig von Afrika nach Portugal zurück und bleibt fortan in Porto. Er wird Partner (sócio) in der Casa Biel, wo er die Abteilung für Verlagsprodukte führt und entschieden die Aktivitäten vorantreibt, die nach 1880, dem Jahr der Luxusausgabe der Lusíadas und des Plutarcho Portuguez (collecção de retratos e biographias dos principaes vultos historicos da civilisação portugueza, Fotografias de E. Biel, Editora Júlio Costa, Emilio Biel, 1881), ziemlich erlahmt waren.

Moraes wird künstlerischer Direktor und Fotograf vom Projekt A Arte e a Natureza und von diversen Alben mit religiöser Thematik, produziert illustrierte Postkarten. Ebenfalls machte er Photos im Dourogebiet und viele der Bildpostkarten, die von der Casa Biel vermarktet wurden.

A Arte e a Natureza ist das wohl ehrgeizigste Unterfangen von Emílio Biel und Cunha Moraes: Stadtansichten, Monumente, Landschaften, pittoreske Szenen, Arbeitsprozesse und typische Trachten und Bräuche füllen das achtbändige Druckwerk. Die technische Qualität der Aufnahmen ist vortrefflich.

Gepaart mit guten (portugiesischen und französischen) Texten verschiedener Autoren, die alle Orte, Städte und Landschaft beschreiben, ist dieses Werk viel mehr als eine bloße Kollektion von schönen Fotos – es ist eine umfassende, präzise Dokumentation des Landes Portugal und seiner Schätze.

Biel verlegt auch das Werk O Douro von Manuel Monteiro, illustriert mit zahlreichen seiner Bilder. Der Versuch, das Buch Arte Religiosa em Portugal zu veröffentlichen, gelingt nicht, da Biel bald stirbt. Im Jahr 1910, kurz nach der Ermordung vom König und seinem Thronerbe, wird die Republik ausgerufen, und das neue Portugal kämpft in Europa um politische Anerkennung, die es zunächst von England bekommt.

Die Polarisierung ist vorgegeben. Der I. Weltkrieg ist für ganz Europa eine Katastrophe, auch für den jetzt 76jährigen Biel wird es der tragische Wendepunkt seines erfolgreichen Lebens. Alle deutschen Staatsbürger werden plötzlich als Feinde betrachtet. Für Biel gibt es keine Zukunft mehr, ver­bittert und enttäuscht stirbt er 1915 in Porto.

Mit dem Kriegseintritt Portugals im Jahre 1916 sieht sich die Regierung ermächtigt, den Besitz des Verstorbenen und sein gesamtes fotografisches Werk zu konfiszieren. 100.000 (hunderttausend!) Negative liegen im Archiv. Alles wird versteigert. Seine portugiesischen Partner versuchen zu retten, was zu retten ist.

Neben seinem Interesse für neue Technologien, aber mit derselben Akribie, Genauigkeit und Leidenschaft sammelte er ...Schmetterlinge! Diese Sammlung befindet sich heute im Museum der Zoologie der Universität Porto, gilt als eine der größten der Welt. Mich ärgert sehr, daß wir nirgends ein brauchbares Portraitbild von Carl Emil Biel besorgen konnten. Aber als ich mir die Fotos von Biel im Centro Portugues da Fotografia endlich in aller Ruhe anschaue, mache ich eine wunderbare Entdeckung. In zwei Fotos ist der Schatten des Fotografen zu sehen – Biel hat sich selber aufgenommen.


Literatur

O Porto e os seus fotógrafos. Porto 2001 Capital Europeia da Cultura, coord. M. Tereza Siza, textos Maria do Carmo Serén, design Andrew Howard. Porto: Porto Editora, 2001.

Moreira, Tomás. Emílio Biel: um alemão no Porto. Revista O Tripeiro, Série Nova, Vol.VI, nº 11-12, Dezembro 1985.

Sena, António. História da imagem fotográfica em Portugal: 1839-1997. Das Referenzwerk schlechtin, präzise recherchiert, mit vielen Belegen angereichert, mit sehr guten Bildern illustriert.

Serén, Maria do Carmo. Emílio Biel: No trilho dos cavalos de ferro. Coimbra, Ed. Encontros de Fotografia, 1993.

Baptista, P. A. Ribeiro. A Casa Biel e as suas edições fotográficas no Portugal de oitocentos. Lisboa: Dissertation für den Mestrado em História da Arte, Universidade Nova de Lisboa, 1994. Eine erstklassige Quelle von relevanten, gut recherchierten Informationen zur Person Biel.

Cláudia dos Santos Araújo Feio. A Fotografia de Património/ Fotografia como Património no Século XIX: o Papel de Carlos Relvas (1838-1894).

Martin, A. Handbuch der Emailphotographie und der Phototypie oder des Lichtdruckes: eine Anleitung zur Erzeugung von Photographien auf Email und Porzellan, von Photolithographien, Photoemaillographien, Photozinkographien, Photogalvanographien und Photoxylographien, ferner Anweisungen zur Kohlenbilderzeugung, zum anastatischen Druckverfahren, zur Reproduktion von Handzeichnungen, nebst anderweitigen Vorschriften und Recepten bezüglich der Emailphotographie und der Phototypie. Zweite Aufl. Weimar: Bernhard Friedrich Voigt, 1872. 346 S.

Allgeyer, Julius. Handbuch über das Lichtdruckverfahren: praktische Darstellung zur verschiedenen Anwendung für Hand- und Schnellpressendruck, für Praktiker und gebildete Laien. Leipzig: Karl Scholtze, 1881. - VIII, 190 S.: mit 20 Abb.


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