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Portugal in 100 Objekten

Carlos do Carmo, der Sinatra des Fado

Carlos do Carmo wird heute zugleich als Altmeister und als Erneuerer des Fados angesehen, der dazu beigetragen hat, diesen Musikstil vor dem Abgleiten in klischeehafte Unterhaltungsmusik oder die reine Touristenbelustigung zu bewahren. Er hat sich stets um musikalische Qualität und anspruchsvolle Texte bemüht und dafür unterschiedliche Textautoren herangezogen und mit einigen der besten Gitarristen des Landes zusammengearbeitet.

Und er hält Kontakt zu der jungen Generation von Fado-Sängern und Sängerinnen wie Mariza, die ihrerseits vielfach seine Fados singen. Carlos do Carmo ist der Künstlername des Fadista Carlos Alberto de Ascensão do Carmo de Almeida (*1939 in Lissabon). Er übernahm den Namen seiner Mutter Lucília do Carmo, die selbst erfolgreiche Fadista und Betreiberin eines Fado-Lokals war.

Seine Eltern schickten ihn zur Hotelier-Ausbildung nach Genf, wo er neben Französisch auch sein in der deutschen Schule in Lissabon erlerntes Deutsch weiter verbesserte. Auch seine musikalischen Interessen waren zunächst eher kosmopolitisch. Er nahm zwar schon im Alter von neun Jahren eine Schallplatte auf (seine Mutter Lucilia do Carmo war eine bedeutende Fado-Sängerin, und sein Vater, der Buchhändler Alfredo de Almeida, betrieb den Fado-Club O Faia).

Doch erst nach einigen Jahren entschloss er sich, wie seine Mutter Fado zu singen (er nahm 1969 sogar eine Schallplatte mit ihr auf). 1963 erschien seine erste Schallplatte in Portugal. Seither hat er 35 Alben veröffentlicht, darunter viele wegweisende, von einem Teil der Kritik als innovativen „Fado novo” begrüßt, von einem anderen Teil, den „Puristen”, als Entfremdung des Fado abgelehnt, insbesondere Um homem na cidade (1977).

Im Gegensatz zu vielen anderen Fado-Sängern arrangierte sich Carlos do Carmo nicht mit der Estado Novo-Diktatur in Portugal, er wurde auch wegen Kontakten zu Oppositionellen verhaftet. So verband ihn etwa mit dem kommunistisch gesinnten, 2010 verstorbenen portugiesischen Literaturnobelpreisträger Jose Saramago eine enge Freundschaft. Die 1980er Jahre waren insbesondere durch zahlreiche internationale Gastspiele gekennzeichnet, von denen einige auch zur Veröffentlichung gelangten. Er nahm auch neue Alben auf. So wurde Um homem no país 1983 die erste portugiesische CD, als das Medium Ende 1982 aufkam.

Do Carmo versuchte sich in jenen Jahren auch als Produzent: 1984 produzierte er das Fado-Album Mulher, Guitarra von Simone de Oliveira. 30 Jahre später folgte die Produktion des Albums Amália Tribute. Seit 2000 Nachdem er in den 1990er Jahren nicht so häufig international auftrat und auch in Portugal seltener in die Öffentlichkeit trat, waren die 2000er-Jahre wieder von reger Aktivität und Auszeichnung seines Werkes gleichermaßen geprägt. Nach überstandener schwerer Krankheit erschien ein Buch über Carlos do Carmo, und er erhielt eine Reihe von Auszeichnungen und Orden.

2007 zeigte das Museu do Fado eine groß angelegte Carlos do Carmo Retrospektive. 2008 gewann er den Goya, den „spanischen Oscar“ für seinen „Fado da Saudade“ aus dem Film Fados von Carlos Saura, an dem er mitarbeitete. Noch 2008 erschien zur Jubiläumsfeier seiner 45-jährigen Karriere eine vielbeachtet Dokumentar-DVD über und mit Carlos do Carmo (u. a. mit einigen Titeln eines neueren Konzertes in Frankfurt/Main), die als Doppelpack zusammen mit einer „Best of“-Zusammenstellung veröffentlicht und ein Verkaufsschlager wurde.

2009 sang er bei einem Konzert noch anlässlich seines Jubiläums vor 11.000 Menschen im größten Veranstaltungssaal des Landes, im Pavilhão Atlântico (auf dem Gelände der Expo 98 in Lissabon), zusammen mit Gästen wie Mariza, Camané, seinem Sohn Gil, der gefeierten Fado-Nachwuchssängerin Carminho, Bernardo Sassetti, Maria Berasarte aus Galicien und dem Orchestra Sinfonietta de Lisboa.

2010 sang er im September beim Douro Film Harvest, und im November 2010 gestaltete er zusammen mit dem Count Basie Orchestra unter der Leitung von Dennis Mackrel einen Frank Sinatra-Abend im Pavilhão Atlântico in Lissabon.

Im gleichen Jahr erschien sein mit Bernardo Sassetti aufgenommenes, jazzig-intimes Album, auf dem er nur durch das Piano Sassettis begleitet wird. Die CD erschien in einer Teilauflage auch mit einer DVD und kam bis auf den zweiten Platz der portugiesischen Charts.

Ebenso arbeitete er maßgeblich mit in der Koordinierungsgruppe für die Kandidatur des Fados zur Anerkennung als immaterielles Kulturerbe der UNESCO. Ende 2011 erfolgte die Eintragung auf die Repräsentative Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit.

2011 ging ereignisreich weiter: der 72-jährige Carlos sang unter anderem im April in Angola und war Gast bei Ana Mouras großem Konzert im Coliseu dos Recreios, im Mai sang er auf den Azoren und im Juni in Paris, in Madrid und als Gast bei Mayra Andrades Lissabon-Konzert, und im Oktober im 2005 eröffneten Konzerthaus Casa da Música in Porto. Ende 2013 wurde sein Album Fado É Amor veröffentlicht. 10 Fados singt er hier im Duett mit jeweils einem der bekanntesten Namen des aktuellen Fados, namentlich Camané, Mariza, Carminho, Ana Moura, Ricardo Ribeiro, Raquel Tavares, Cristina Branco, Marco Rodrigues, Aldina Duarte und Mafalda Arnauth. Dazu singt er das Lied Loucura im Duett mit der Gesangsaufnahme des Stückes seiner Mutter von 1960.

Das Album ist zum einen eine Verbeugung Carlos do Carmos vor dem Fado, und zum anderen eine Anerkennung der Bedeutung do Carmos für die Entwicklung des Fados der letzten Jahrzehnte. Das Album stieg sofort auf Platz eins der portugiesischen Verkaufslisten ein. Im Jahr 2019 verabschiedete sich der inzwischen 80jährige Sänger von der Bühne.

Carlos do Carmo ist seit 1964 mit seiner Frau Judite verheiratet und hat mit ihr drei Kinder: Cila, Alfredo und den mit ihm schon mehrmals aufgetretenen Sänger Gil. Carlos do Carmo trat vielfach im Ausland als der exemplarische Fado-Sänger Lissabons auf. Zugleich blieb er Kosmopolit und sang bei Konzerten auch Lieder beispielsweise von Jacques Brel.

Ein Konzert in der Alten Oper in Frankfurt am Main 1983 wurde als Schallplatte veröffentlicht, ebenso Konzertmitschnitte aus dem Olympia (Paris) und dem Canecão in Botafogo, Rio de Janeiro. Er veröffentlichte auch mehrmals in Englisch („Have a smile on your face“ 1976) und trat u. a. im Savoy in Helsinki, im Place des Arts in Montreal und im Memorial da América Latina in São Paulo auf, und sowohl in den USA als auch der damaligen Sowjetunion. Ähnlich weit verbreitet waren seine Veröffentlichungen, die sowohl im damaligen Ostblock als auch im Westen bis hin zur damaligen portugiesischen Überseeprovinz Angola verlegt wurden.

Er wurde neben verschiedenen Preisen (u. a. Prémio José Afonso) auch mit einem der höchsten Orden in Portugal ausgezeichnet, dem Orden des Infanten Dom Henrique im Kommandeurs-Grad. Er war zuvor bereits unter anderem Ehrenbürger von Rio de Janeiro und erhielt ein Ehrendiplom des Senats von Rhode Island für sein künstlerisches Wirken. 2014 wurde er mit dem Latin Grammy Award für sein Lebenswerk ausgezeichnet.


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